Fertörakos-Kroisbach

Blog: Der See, das Haus, Zahnimplantate und Patienten

Jetzt, Mitte Juli 2019, sitze ich also abends, oder besser frühabends, da es noch recht hell ist, ganz alleine auf der Terrasse meines kleinen Häuschens am Neusiedlersee. Mein Abendessen war selbstgemacht und dementsprechend anspruchsvoll: 2 Eier mit Schinken und Käse, schön in der Pfanne bis zum bitteren Ende ganz knusprig gebraten. Selbstgemacht ist ja irgendwie auch logisch, wenn man alleine ist, aber es war gut, weil heute einfach auch ein echt voll schöner Tag war und eigentlich immer noch ist. Hier am See, neben der Marina am Neusiedlersee, da gefällt es mir einfach.

Das Haus am See

Ich habe mir dieses Häuschen mit stolzen 56 m² vor zwei Jahren zugelegt, einfach deshalb, weil ich immer so etwas am Wasser haben wollte. Mein kleines Haus ist ein Holzhaus mit Schilfdach, zweigeschossig, mit Zugang zum Wasser von der Terrasse aus. Es ist romantisch und verträumt hier, und man findet tatsächlich seine Ruhe und seine Entspannung. Das mit einem Haus am Wasser, beziehungsweise am See, war immer ein Traum von mir, aber in Österreich ganz schwer zu bekommen. Nun sitze ich in Fertörakos, ehemals Kroisbach, Ungarn, einer entzückenden Gemeinde gleich nach Sopron, wo es Ungarns einzigen Seezugang zum Neusiedlersee ( ungarisch: Fertö) gibt. Derzeit findet hier das größte Bauprojekt statt, das der Neusiedlersee wahrscheinlich je gesehen hat. Die Ungarn rüsten touristisch gewaltig auf, der Plan ist tatsächlich beeindruckend. Wie genau das in diesem Naturschutzgebiet überhaupt stattfinden kann, beziehungsweise wie es um den Umweltschutz steht, das wird derzeit unter Verschluss gehalten und wir alle können uns nur überraschen lassen.

Ich bin hier nur 2 km von Mörbisch entfernt, also von der Heimat, aber irgendwie ist es doch eine andere Welt, tatsächlich eine ganz andere Welt, in fast allen Belangen. Dazu sicher später mehr. Heute bin ich das erste Mal alleine hier, ganz alleine. Und heute ist der Test! Test insofern, da ich schauen und wissen will, wie und ob ich mich hier wirklich und tatsächlich so wohlfühle alleine, wie ich es mir denke, beziehungsweise wie ich es mir erhoffe. Bis dato war immer meine Familie mit, meine Frau und meine beiden Rabauken, die sich derzeit in einer akuten unbehandelbaren Hormonkrise befindlichen jugendlichen Söhne, die heute ihr Zeugnis bekommen haben. Zeugnis ok, Papa zufrieden. Eigentlich sehr zufrieden, nachdem ich aus Neugier mein altes Zeugnis von der 4. Klasse Gymnasium ganz heimlich und alleine herausgekramt habe, einfach weil ich wissen wollte, wie ich damals eigentlich war. „Wenig Zufriedenstellend“  beim Verhalten in der Schule, das musste ich heute erfahren, eine Erinnerung daran gibt es meinerseits eher nicht mehr. Und: kein einziges „Sehr Gut“, nicht einmal in Religion oder in den Leibesübungen, das heute wieder Turnen heißt. Und Turnen klingt besser irgendwie. Meine Frau wollte und will einfach kein Wochenendhaus. Irgendwie verständlich, weil es ja auch angeblich Arbeit macht, und ich gebe zu, dass Vieles dieser Arbeit meine Frau machen muss. Wir Männer sehen aber keine Arbeit, wenn wir etwas wollen. Wir wollen haben, einfach haben, ohne nachdenken über Staubsaugen und so. Aber ich fühle mich hier einfach inspiriert und entspannt, und das nur 90 Minuten, wenn alles ganz gut geht mit dem Verkehr, von zuhause entfernt.

Der Zahn löst sich auf....

Gestern habe ich mir übrigens einen Zahn ausgebissen, einfach so, ganz ohne Zutun, ohne Essen oder kauen, einfach so beim Unterhalten mit einem Freund während eines Fußballmatches. Es hat sich mit der Zunge wenigstens so angefühlt, als ob der halbe Zahn weg wäre und ich war so erschrocken, als ich bemerkt hatte, dass ich für gute 5 Minuten echte Probleme beim Reden hatte, vor allem mit S-Lauten. Zuhause angekommen stellte ich fest, dass nur ein Viertel des Zahnes weg war, Nein, in Wirklichkeit nur ganz wenig, aber das reichte. Und man fühlt sich wirklich eigenartig so ohne Zahn, irgendwie denkt man, als ob jetzt der akute körperliche  Verfall eingetreten ist. Zusätzlich tut die sensible Zunge wirklich spätestens nach einer Stunde dermaßen weh, weil man automatisch immer mit der Zungenspitze unbewusst beim scharfkantigen abgebrochenen Zahn ist. Und das macht die Zunge besonders gern, wenn es sich um einen Frontzahn handelt wie bei mir. Anruf bei meiner Assistentin, die mir dann heute um 9 Uhr in der Früh den Zahn mühevoll repariert hat. Man liegt wirklich fast ausgeliefert da, muss den Mund sehr lange aktiv und sehr weit offenhalten, versucht wegen der notwendigen Wasserkühlung verzweifelt nicht zu ersticken, muss auf seine Zunge aufpassen, dass die Zunge nicht in den Bohrer gelangt und während  der Behandlung muss man auch noch angestrengt die Augen geschlossen halten, weil die neuen LED-Lichtquellen tatsächlich durch das Auge bis ins Hirn leuchten, jedenfalls glaubt man das in dieser Situation. Und so eine Situation ist für niemanden angenehm, das merkt man erst wieder, wenn man selber so daliegt. Demut! Man muss immer wieder selber in die Rolle des Patienten schlüpfen, einfach um mitfühlen zu können. Er schaut nun übrigens wieder wunderschön aus, der Zahn, man sieht überhaupt nichts mehr- der Zahn schaut aus wie ein Zahn, und das ist gut so. Die letzte Therapie, oder Füllung (Plombe bei den Menschen- ein fürchterliches Wort), bei diesem Zahn hat auch meine Assistentin gemacht und das hat fast 2 Jahre gehalten. Warum ich das erzähle? Weil 2 Zahnärzte das vorher auch gemacht haben, wobei die Füllung des ersten Zahnarztes schon nach einem Tag wieder verloren war, die Füllung des zweiten Zahnarztes wenigstens eine Woche gehalten hat. Und deshalb ließ ich mich vor 2 Jahren dann von meiner Dame behandeln, die gar kein Zahnarzt ist, aber deren Therapie hat fast 2 Jahre funktioniert. Was sagt uns das? Es lässt uns langsam zum Thema kommen. Im Oktober 2016 habe ich mit 2 Kollegen bereits ein Buch geschrieben, besser gesagt einen Patientenratgeber zum kompletten Thema der Zahnmedizin. Es war das erste Buch, gut, also es war und ist, im Nachhinein betrachtet noch nicht ganz optimal in vielen Bereichen. Der Inhalt war allerdings sehr gut geschrieben, da es  Patienten oder betroffenen Menschen wirklich viele Fragen beantwortet, auf die man sonst keine Antwort erhalten würde. Zusätzlicher Inhalt waren Patientenirrtümer und die häufigsten Patientenfragen, und auch Anleitungen wie und was man eigentlich seinen Zahnarzt fragen sollte. Wir haben keinen Preis bekommen ob unserer herausragender schriftstellerischer Tätigkeit und die Einnahmen haben bei weitem nicht die Produktionskosten gedeckt, aber erstens hat es Spaß gemacht das Buch zu schreiben und zweitens hat es die Lust und das Verlangen geweckt das irgendwie weiter zu betreiben. Warum? Weil die ganze Zahnmedizin so viele Geheimnisse hat für Patienten und für Menschen, die mit den Zähnen Probleme haben, und weil sonst niemand darüber spricht oder schreibt. Da will ja auch niemand darüber reden eigentlich, weil es ein sehr intimes Thema ist. Die Zahnmedizin ist zusätzlich auch deutlich komplexer und schwieriger als es die Patienten meinen und umgekehrt wird seitens der Zahnärzteschaft vieles anscheinend absichtlich im Verborgenen gehalten, so könnte man tatsächlich meinen, wenn man mit Patienten über deren Erfahrungen und Erlebnisse spricht.

Aber zu all dem dann einfach später.

Das Buch, beziehungsweise dieser Blog: Es ist also eine Idee und mein Wunsch dieses Projekt jetzt umzusetzen. Eigentlich fehlt mir gänzlich die Zeit, da ich beruflich und privat tatsächlich genug zu tun habe oder hätte, auch weil ich manchmal einfach auf der Couch liegen will, einfach so, aber ich nehme mir diese Zeit einfach, weil es mir ein Bedürfnis ist. Und es gibt ja soviel, wirklich viel, zu erzählen! Und das sehr oft eben genau hier in Ungarn am See, einfach deshalb, weil hier Ruhe herrscht und weil die Gegend sehr inspirierend ist. Der Niavarani hat übrigens sein letztes hervorragendes Buch auch in einer Hütte am See, allerdings auf der österreichischen Seite, (wahrscheinlich weil er deutlich mehr verdient als ich) spielen lassen, wo er mit seinem Nachbarn nächtens isst, trinkt, isst, trinkt, philosophiert, trinkt und sich gegenseitig Geschichten erzählt. Ich werde versuchen auch hier manche Geschichten zu erzählen, weil Geschichten einfach persönlicher sind, aber vielleicht auch das Lesen erleichtern. Und jetzt ziehe ich mir endlich eine lange Hose an, einfach wegen der Gelsen, und die sind sowohl in Österreich, als auch in Ungarn blutrünstig aber eben staatenlos. Aber Alles hat eben auch seine Nachteile….

To be continued…..

 


Die Tafel-ein Erfahrungsbericht. Erleben der Armut in Österreich vor Ort und eigene Gedanken

Kurzes Video zur Tafel:

https://www.youtube.com/watch?v=l2akxTWsBu8

„Die Tafel“- Langenlois hilft! Und das seit Jahren.

Am Samstag den 7.Oktober war ich erstmals der „Tafel“ in Langenlois behilflich.

Die Team Österreich Tafel, die Lebensmittelhilfe von Ö3 und dem Roten Kreuz, bringt Überschuss und Mangel zusammen und ist so eine verlässliche Anlaufstelle als Hilfe und Angebot für Menschen in Not.

Unter dem Motto „Sammeln statt vergammeln, verwenden statt verschwenden“ haben die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer des Team Österreich seit März 2010 Woche für Woche einen fixen Einsatz: Jeden Samstag sammeln sie in Supermärkten einwandfreie, aber nicht mehr verkäufliche Lebensmittel ein. Diese Überschuss-Lebensmittel werden dann unmittelbar an Menschen in Not ausgegeben, die auf diesem Weg verlässlich gute Lebensmittel bekommen.

  • 109 Ausgabestellen in ganz Österreich
  • 3.700 Gäste pro Woche - inkl. Familienmitgliedern Hilfe für 13.000 Menschen!
  • 3.000 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer im Einsatz
  • mehr als 14 Millionen Kilogramm noch gute Lebensmittel gerettet

 

 

Und jetzt war endlich auch ich dabei, weil es mir seit längerem ein Anliegen war persönliche Hilfe anbieten zu können, anstatt ewig dieses Geldspenden, gerade vor Weihnachten, vor allem um sein Gewissen zu beruhigen.

Um 16.45 h trafen wir uns bei der Rotkreuz-stelle Langenlois, wo ich von den dort bereits anwesenden ehrenamtlichen Helfern herzlich begrüßt und aufgenommen wurde. Eine kurze Einweisung erfolgte und eine Zuteilung zu einem bereits langjährigen Helfer, der mich unter seine Fittiche nahm. Hinein gings ins Auto, einen Lieferwagen ganz in Gelb mit dem Logo der Tafel auf der Seite. Wir fuhren zu unserer ersten Station der Abholung: zum Billa am Holzplatz

Wir parkten uns ein, läuteten am Hintereingang und es öffnete uns eine sehr nette Dame, die bereits alles vorbereitet hatte. Wir trugen 8 Kisten mit Lebensmittel ins Auto, bedankten uns und fuhren zum Hofer. Auch dort ein großes nettes Hallo und hier war ebenfalls alles vorbereitet. Diesmal achtete ich mehr auf die Kisten bzw auf den Inhalt. Alles war nach Sortiment bereits gegliedert. Hier Brot und Gebäck, da Obst und Gemüse und dort alles was mit Milch zu tun hat. Das hatte also bereits ein netter Mensch für uns gemacht und das hat mir imponiert. Wir mussten nun die Kisten wirklich gut schlichten, um weiteren Platz verfügbar zu machen, da die Dame sagte, dass in ca 10 Minuten noch etwas zu holen wäre. Die Alarmanlage vom Hofer habe ich auch kennengelernt, da die einfach nach 5 Minuten Aufenthalt im Lagerraum anfing gewaltig zu alarmieren. Ausschalten konnten wir sie auch ganz alleine, also wieder was gelernt. Gut-nun war es 18.00h. Der Hofer sperrte seine Pforten und wir durften von hinten ins Geschäft und holten noch das ganze Brot und Gebäck, welches bis 18.00h nicht verkauft worden war. Die Menge war im Regal eigentlich überschaubar, aber als alles in Kisten war, da merkte ich erst, wieviel Brot und Semmeln wir noch zu schleppen hatten. Okay, Danke sagen, schönes Wochenende wünschen den Damen und ab ins Auto. Noch einmal Alarmanlage, diesmal nur kurz, aber trotzdem laut und ab zum Penny. Hintereingang, läuten, warten.

Den Ablauf kannte ich schon. Nach 2 Minuten dann öffnete sich die Tür und eine Dame brachte uns auf einem Schiebewagerl ca noch 12 Kisten mit Lebensmitteln. Wohl geschlichtet, perfekt vorbereitet. Sehr viel an Süßspeisen wie Topfengolatschen und Schnecken. Aber eben auch wieder gutes Gemüse und Obst. Jetzt wurde es eng im Auto. Auf meinem Schoß eine Kiste mit Semmeln und Kartoffeln, und heim, also zur Sammelstelle in vollem Tempo, was halt der 2. Gang hergab (Nicht fragen warum nur im 2.Gang!). Angekommen beim Roten Kreuz hatte sich dort die Zahl der HelferInnen bereits deutlich vermehrt. Es wurde gemeinsam angepackt und alles in die neue Halle getragen. Dann erst Hände geschüttelt, Hallo gesagt und sich vorgestellt. Ich war ja neu hier. Einschlichten in die vorgesehenen Behälter auf den Tischen, die bereits nach Kategorie beschriftet waren. Es gab: Brot, Weißbrot, Gebäck, Süßigkeiten, Salat, Gemüse, Obst, Süßspeisen, Joghurt, Milchprodukte, Aufstriche, Fleisch, Fisch, Diverses und Obstsäfte.

Als alles eingeschlichtet war, staunten wir nicht schlecht, wieviel an Lebensmitteln wir eigentlich einsammeln konnten. Ein 2. Auto war noch zusätzlich beim Lidl gewesen und beim Merkur in Krems, wo es leider keine Tafel gibt, aber dafür einen SOMA.

Ich lernte noch 2 nette und hilfsbereite Männer kennen, die hier ebenfalls arbeiteten. Im Gespräch, in fast perfektem Deutsch, erfuhr ich, dass sie Asylwerber seien. Und das seit über 2,5 Jahren! Das muss man sich einmal vorstellen, dass Asylsuchende nicht einmal nach 2,5 Jahren wissen, ob sie Asyl bekommen und ob sie hier bleiben dürfen oder ob sie, täglich möglich, heimgeschickt werden. Das ist inakzeptabel seitens unserer Behörden und sicher nicht zielführend was Integration betrifft. Aber das wäre normal, versicherte man mir. Normal für Österreich, eigentlich sehr traurig. Und zusätzlich extrem unprofessionell seitens unserer Behörden, in anderen Ländern geht das alles besser koordiniert alles deutlich rascher.

Egal. Das ist ja nicht das Thema heute, überhaupt nicht. Es geht um Menschen, um solche Menschen, die einfach zuwenig Geld haben um so wie wir normal in einem Geschäft einkaufen gehen können. Vielleicht nicht immer im Laufe eines Monats, aber eben halt dann , wenn es finanziell eng wird. Essen können ist ein Grundrecht in einem Sozialstaat, sollte man meinen. Mittlerweile war der Warteraum vor dem " Geschäftslokal" prall gefüllt mit Menschen, die darauf warteten, dass es 19.00h wurde. Um 19.00h startet immer die Ausgabe der Lebensmittel, und darauf warteten die Menschen geduldig und ruhig. Kein Zeichen von Unruhe oder von Ungeduld. Es kamen noch 4 Personen in die Zentrale, die sich, da erstmals hier, einmal registrieren lassen mussten, um eben jenen Ausweis zu erhalten, der dazu berechtigt hier kostenlos Lebensmittel zu erhalten. Gewisse Kriterien der Bedürftigkeit müssen erfüllt sein, damit man anspruchsberechtigt ist.

Sicherlich beim ersten Mal, also bei der Registrierung, psychologisch nicht angenehm. Ich dachte mir in dem Moment, dass ich mich sicher geniert hätte. Denn das war ja ein Eingeständnis der eigenen finanziellen Unzulänglichkeit, und sowas ist hart. Warum auch immer man eben zuwenig Geld zur Verfügung hat, viele Wege führen ja in die Armut. Aber der Grund ist hier egal, hier wird nicht gefragt, nicht Mitleid gezeigt- Nein, dazu ist keine Zeit und das soll hier auch nicht passieren. Man akzeptiert hier ganz schnell, dass man nicht die Welt an sich verbessern kann, man kann nur da sein, da sein für andere Menschen. Und das reicht. Die Ausweise werden von allen eingesammelt und in einen Kübel gegeben, da man im Laufe der Zeit daraufgekommen ist, dass das Los über die Zeit die fairste Methode der Verteilung ist. Die Reihenfolge wird also durch das Los bestimmt, in der die Menschen das " Geschäft" betreten dürfen.

Hand in Hand

 

Handschuhe werden verteilt an die Helfer, damit man die Ware nicht mit blossen Händen angreifen muss. Okay. Es geht los. Die Menschen werden am Eingang von jeweils 1 Helfer in Empfang genommen und der Ausweis kontrolliert. Also eigentlich nicht kontrolliert, sondern gelesen. Und zwar deshalb, weil am Ausweis obensteht, wieviele Personen, aufgeschlüsselt in Erwachsene und Kinder, im Haushalt leben.Aufgrund dieser Information wird der Einkauf geplant. 5 Minuten schaute ich meinen KollegInnen zu, wie sie die Sache anlegten und wie sie sich verhielten, einfach um zu sehen, was ich zu machen hatte, wie ich das angehen wollte.Im Grunde war das nicht so schwer, zumal in der Besprechung vorab gesagt wurde, dass man einfach als Mensch mit einem anderen Menschen gemeinsam einkaufen sollte. Sprich: ich war nun ein Verkäufer, der einem Kunden seine Ware präsentierte und gemeinsam mit ihm oder ihr durch das Geschäft schlenderte. Nur halt ohne Kassa am Ende, einfach ohne Bezahlen. Das Angreifen der Ware war nur uns gestattet, auch deshalb die Handschuhe. Der Kunde sagte einfach, was er brauchte oder wollte und dann entschieden wir gemeinsam welches Produkt in welcher Menge in das Sackerl wanderte. Am Anfang um 19.00 h war die Auswahl der Produkte wirklich gut und es waren so gut wie nur Produkte dabei, die ich auch alle genommen oder noch gegessen hätte. Das war am Anfang beim Einräumen ja auch ein wichtiger Punkt. Wenn wir Produkte sahen, die wir eigentlich selber nicht mehr essen hätten wollen, dann wurden diese entsorgt. Ein guter Weg, denn manches, besonders beim Obst, war tatsächlich nicht mehr optimal. Das bedeutet, dass alle Lebensmittel einer primären Qualitätskontrolle unterzogen wurden, und somit nur gute Lebensmittel in den "Verkauf" kamen.

Verkaufsraum

 

Ich präsentierte an diesem Tag meine Produkte, pries manches sogar an oder lobte den Geschmack oder den Gesundheitsnutzen. Aus irgendeinem Grund hatten wir zum Beispiel 20-25 eingepackte und perfekte große Portionen Broccoli. Und das war schwierig in der Tat diesen Broccoli , obwohl tadelloser Zustand, an die Frau oder Mann zu bringen. Broccoli ist nicht jedermanns Sache, das ist klar. Joghurt und Süsswaren waren die Renner, gefolgt von Obst und Gemüse. Milch sowieso, aber da hatten wir am Ende zuwenig, die war bald aus.

Wir waren also keine strengen Verkäufer sondern Einkaufspartner für die Menschen und wir gaben ihnen in keiner Sekunde das Gefühl, dass sie Bittsteller waren. Sie sollten das Gefühl haben wirklich einkaufen zu gehen, nur ohne Geld. Meine erste Kundin war ein 12-jähriges Mädchen aus dem Ausland, da mittelmässig Deutsch sprechend, das für ihre Familie einkaufen ging. Ich hatte ganz vergessen zu fragen, was ich ursprünglich vorhatte, woher sie kam. Ich war erstaunt, dass sie alleine für ihre Familie einkaufen ging und musste an meinen 12-jährigen Sohn denken, der wahrscheinlich niemals diese Aufgabe so perfekt hätte erfüllen können. Mein Sohn wäre mit 6 Käsestangerl und 5 Joghurts für sich alleine glücklich nach Hause gegangen, er hätte nur auf den Familieneinkauf vergessen bzw wäre überfordert gewesen. Aber klar, nach 3 Monaten Armut und der Notwendigkeit, hätte er das auch irgendwann zusammengebracht. Aber in unserer Wohlstandsgesellschaft derzeit nicht denkbar. Ich ging also mit meiner jungen Kundin durch das Geschäft und sie bestellte wirklich vernünftig und sehr zurückhaltend. Ich gab ihr also ungefragt 4 Käsestangerl mehr als verlangt, und sagte, dass das für ihre kleine Schwester sei. Ebenso bei den Süßigkeiten wie Schokolade, von denen es definitiv zu wenig gab. Hat halt ein langes Haltbarkeitsdatum, und deswegen wird Schokolade und Co kaum von den Geschäften aussortiert. Das Mädchen bestellte verantwortungsvoll Obst und Gemüse, und ich war ob ihrer Reife sehr erstaunt. Ich muss gestehen, dass ich für sie und ihre Schwester noch ein paar Topfengolatschen und 2 Actimel und 2 Joghurts extra noch einpackte, wobei sie lächelte aber leise blieb und schwieg. Am Ende gab ich ihr noch 2 kleine Flaschen frisch gepressten Orangensaft, wegen der Vitamine. Ich habe ihr auch die Einkaufstasche getragen, und selber alle Produkte liebevoll hinein gelegt. Ich wollte, dass sie sich gut fühlte und nicht als Bittsteller. Das hat auch funktioniert, das merkte ich. Am Ende gab sie mir die Hand, bedankte sich, verabschiedete sich,  lächelte und verschwand. Meinen ersten Einsatz gut über die Bühne gebracht und ich war erleichtert, zumal das erste Mal immer am schwierigsten ist. Und die Premiere war schon gut, also konnte ich nur mehr noch besser werden. Es war ja schon ungewöhnlich, aber es war gut. Insgesamt waren an diesem Abend 52 Personen bei uns, es wurde gesagt, dass normal immer so um die 70 kämen. Ich hatte noch 5 Kunden, wobei es am Ende schon hart war, es zu einem Einkaufserlebnis machen zu können, da kaum noch Produkte da waren. Broccoli schon, aber der Rest war sehr ausgedünnt. Deshalb das Los, weil über die Zeit der Monate nach normaler Statistik sich Glück und Pech ausgleichen würden. Nur an diesem Tag wäre es für die letzten 20 Personen hart geworden, da wirklich nicht genug Lebensmittel für 70 Personen da waren, die ja normalerweise kommen an diesen Samstagen.

Verkaufsraum 2

 

52 Personen waren hier, die ca für 140-150 Personen einkaufen gingen. Ich habe es nicht gezählt, aber vom Gefühl her, waren 15-20 Österreicher bei uns, der Rest waren ehemalige Flüchtlinge. Asylwerber und auch Asylanten. Von den Österreichern waren junge Mütter und Pensionisten vertreten.

Der Raum vor dem Geschäft leerte sich rasch nachdem die letzte Person einkaufen war. Alle Helfer packten an und machten extrem rasch alles sauber. Manches wurde entsorgt, vieles für Bauern aus der Umgebung gestapelt zum Abholen. Am Ende Staubsaugen, alles feucht rauswischen und die Kartonagen entsorgen. 20.15 h waren wir fertig und ich war auch überrascht, dass am Ende alles so schnell gegangen ist. Wir Helfer waren glücklich, glücklich und zufrieden. Es war ein guter Tag, einfach weil ich wusste, dass ich aktiv bei einer Sache mit meiner bescheidenen manpower geholfen habe. Einfach durch meine Anwesenheit und es war nicht schwer das zu machen. Ich bin jetzt im Team 5 und ich komme alle 5 Wochen dran. Das nächste Mal am 11.11. und ich freue mich darauf. Ich werde das nächste Mal wieder dabei sein, weil da kann es ja echt keine Ausrede geben. Das schafft jeder, sich alle 5 Wochen ein paar Stunden Zeit zu nehmen, das ist keine außergewöhnliche Leistung. Aber es erweitert meinen Horizont und zeigt mir wieder Demut, weil ich all diese Dinge und fürchterlichen Zustände so weit weg wähnte. Ich wusste von Armut vieler Menschen in solchem Ausmaß, aber die war immer irgendwo, immer dort, wo ich gerade nicht war. Dieses Ausmaß an Armut habe ich noch nie persönlich gesehen oder erlebt. Einzelfälle ja, klar. Aber keine 52 Menschen, die in Österreich leben, das ist Neuland aber jetzt traurige Gewissheit. Ich will dazu beitragen, mit meinen beschränkten Möglichkeiten, da ich kein Politiker bin, dass die kleine Welt im eigenen Umfeld ein wenig besser wird, dass es den Menschen in meiner Umgebung einfach besser geht und dass allen Menschen ermöglicht werden kann, wenigstens satt zu Bett gehen zu können. Weitere aktive Hilfe ist übrigens jederzeit herzlich willkommen! Wir Helfer, und da zähle ich mich jetzt dazu, zumal das von den neuen KollegInnen nun auch in Zukunft erwartet wird, machen das nicht um Lob zu bekommen oder um als gute Menschen zu gelten- Nein, das ist es nicht. Man will etwas Gutes tun, einfach um Gutes zu tun. Dieser idealistische Ansatz würde, wenn wir alle das machen würden in unserem täglichen Leben und Miteinander, dazu führen, dass die ganze Welt Stück für Stück ein wenig besser wird und dass mehr zwischenmenschlicher Frieden sein würde.

Aber klar fragt man sich, warum es integrierte Asylwerber gibt, die seit fast 3 Jahren auf einen Bescheid warten müssen. Man fragt sich, warum Politiker sich sowas nicht vor Ort anschauen, warum hier kein Interesse besteht, um diese Situation Bescheid zu wissen. Das wird ja in all den politischen Diskussionen derzeit nicht erwähnt. Es geht immer nur um Zuwanderung, um Beschränkung der Zuwanderung und um Schließung diverser Routen. Aber wie Österreich mit den Personen umgehen soll, die ja schon da sind, das wird nie besprochen, erläutert oder diskutiert. Und hier hilft kein Jammern, denn hier müssen wir einfach eine gute und akzeptable Lösung finden, das ist unsere Pflicht und Verantwortung. Und wenn schon manche Leute sagen, dass ihnen dieses Thema schon auf die Nerven geht, das kann ich auch verstehen mittlerweile. Aber es gibt eben auch viele Österreicher, die hier geboren sind, und die in Armut oder an der Armutsgrenze leben. Besonders leiden hier natürlich die Kinder, gerade weil hier die Spirale zwischen Armut und dadurch bedingten fehlenden Bildungs- und Ausbildungschancen  das Ihre tut, um weitere soziale Probleme zu schaffen. Und unsere Pensionisten mit kleiner Pension und großen Fixausgaben pro Monat, die gezwungen sind, sich am Samstag um 19.00 abends hier anzustellen um ihr Essen für einige Tage nach Hause zu tragen, diese Pensionisten sollten uns allen zu denken geben, dass in unserem Staat eben doch nicht alles so wunderbar und sozial ist.

Ich werde hier ab jetzt ganz konkret meinen bescheidenen Beitrag leisten, weil ich einfach das Gefühl habe, dass persönlicher Einsatz und darüber reden und es nach außen tragen, in vielen Fällen mehr bringen kann, als einfach nur Geld zu spenden, was ich über viele Jahre immer gemacht habe. Klar habe ich im Laufe meines Lebens als Pfleger unter dem Studium, dann als Arzt im Spital, Notarzt, als Kieferchirurg in Indien und niedergelassener Arzt genug Gutes und Soziales getan für meine Mitmenschen. Ich habe selber viele Opfer gebracht, persönliche Opfer, um überhaupt helfen zu können. Aber irgendwie hat das ja immer dazugehört zu meinem Leben. Es war immer Teil meines Lebens, es war normal. Nach der Bezahlung meiner Spenden, die ich sorgfältig ausgewählt habe, habe ich mich immer wohl gefühlt, habe empfunden deshalb ein guter Mensch zu sein, was natürlich nicht richtig war, ich wollte es aber glauben. Dann habe ich mich immer zufrieden zurückgelehnt, positiv von mir denkend, weil ich natürlich auch immer sehr großzügig in meinen Spenden war. Das war aber auch nicht schwierig, weil ich ja immer gut und genug verdient habe- deshalb war es eher Gewissensberuhigung als ein echtes Opfer meinerseits. Aber an diesem Samstag Abend hatte ich wirklich erstmals seit langem wieder ein sehr gutes zufriedenes Gefühl, einfach so, ohne es genauer beschreiben zu können. " Holen Sie sich was Ihnen zusteht!", dieser Slogan hat nun für mich jetzt eine ganz neue sarkastische Bedeutung, denn es ist in Österreich eben doch nicht so, dass jedem etwas zustehen würde und selbst beim Holen haben wir schon gröbere Verteilungsprobleme bzw Probleme beim Aufbringen der Möglichkeit einer eventuellen späteren Verteilung. Deswegen trage ich das nach außen und selbst wenn nur ein Mensch sich das zu Herzen nehmen wird oder lesen wird, dann hat dieser Blog schon was gebracht. Ich werde weiter berichten, weiter versuchen, wie ich es im Leben immer mache, auch gewisse Dinge und Abläufe dort noch minimal zu verbessern oder zu optimieren. Und das wird spannend werden.

Veränderung in Österreich ist dringend notwendig, weil wirkliche Armut in unserem Sozialstaat, auf den wir so stolz sind, einfach nicht notwendig ist. Aber es ist nicht die Frage, ob die Farbe Schwarz, Rot, Blau oder Grün das macht, es ist die Farbe der Menschlichkeit, die das machen sollte, ganz unabhängig von allen politischen Lagern.

Das ist das Gebot der Zeit!